Dieser Fachbeitrag zum Thema «Bewegte Schule», entstand in Zusammenarbeit mit den zwei Expertinnen der Pädagogischen Hochschule Zürich, Dr. phil. Catherine Lieger und Prof. Dr. Wiltrud Weidinger.
Bewegungsfördernde Spielsettings – Pädagogische Einblicke und Empfehlungen
Das Lernen von vier- bis achtjährigen Kindern passiert vor allem beiläufig und im Spiel. Kinder lernen ganzheitlich unter Einbezug all ihrer Sinne. Dabei lernen Kinder oftmals auch in Bewegung, durch Bewegung und mit der Bewegung. Spielsettings in Kindergarten, Schule, aber auch in der Freizeit und in der Familie sollen dementsprechend gestaltet sein.
Wir fördern Kinder. Durch Bewegung.
Veränderte Spielräume
Das Spiel ist die wichtigste Frühfördermassnahme. Beim Spielen lernen Kinder für das Leben. Doch die gesellschaftlichen Veränderungen der heutigen Zeit lassen den Spielraum von Kindern im Vergleich zu noch vor einigen Jahrzehnten anders aussehen. Wie es die Schweizer Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm in ihrem Blog treffend schreibt, sind Kinder heutzutage immer seltener auf kindgerecht ausgerichteten Spielplätzen anzutreffen, bewegen sich weniger und machen dadurch auch weniger Erfahrungen im motorischen Bereich.
Zu tun hat dies – hier sind sich die Fachleute einig – mit der generell veränderten Kindheit und bestimmten gesellschaftlichen Phänomenen wie:
- der Angst- und Sicherheitskultur in vielen Familien,
- dem Hype um vor allem kognitiv fokussierte Kurse,
- dem übermässigen Gebrauch digitaler Medien
- und dem Verlust von natürlichen Spiel- und Bewegungsräumen.
Der Rückzug der Strassenspielkultur führt dazu, dass Kinder heutzutage oftmals weniger so genannte „primäre Erfahrungen“ machen.
Margrit Stamm sprich in diesem Zusammenhang sogar vom Phänomen der "spielunfähigen Kinder". Es fehle ihnen an Erfahrungen im Entdecken, im motorischen Bereich und im Ausloten von Grenzen in Spielräumen, die zwar geschützt sind, nicht aber überbeschützt sind.Warum hat Spielen eine so hohe Bedeutung für die Entwicklung bei Kindern?
Je spielhaltiger das Lernen ist, desto nachhaltiger ist es für die Intelligenzentwicklung und das physische und psychische Wohlbefinden. Kinder müssen alles, was sie lernen sollen, auch erleben, erfühlen, hören und sehen können. Sie sollen ihre Umwelt mit ihren Händen und Körper erkunden und dabei selbst aktiv werden.
Was ist ein geschützter Spielraum?
Der Begriff Spielraum bezieht sich sowohl auf den architektonischen als auch den persönlichen Raum. Er umfasst die Entscheidungsfreiheit über eigene Aktivitäten und deren Sinngebung. Es sind daher weniger die organisierten Spielgelegenheiten, die Kindern heute fehlen. Vielmehr fehlt der Raum für Eigenverantwortung, Entdeckung und Erkundung, Geheimnisse sowie die Freiheit, diesen Raum auch selbst definieren und gestalten zu können. Dies beinhaltet die Einbeziehung des Körpers und der Sinne, um vielfältige Erfahrungen zu sammeln. Kinder brauchen kindgerechte Bewegungsräume, um verlorengegangene Bewegungsgelegenheiten zurückzugewinnen.
Welche Spielmaterialien bieten Kindern eine ganzheitliche Förderung?
Es sollen Spielmaterialien und Spielmöglichkeiten angeboten werden, die Kinder ganzheitlich, in allen Sinnen (Kopf, Herz und Hand nach Pestalozzi) fördern.
Je enger Spielmaterialien Regeln oder Funktionen vorgeben, desto mehr grenzen sie kreatives Denken, motorisches Experimentieren, Fantasiereichtum und die dementsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten ein.
Konkret gesagt ist es sinnvoller, im freien Spiel eine Reihe von verschiedenen Materialien anzubieten als eigens für diese Altersstufe konzipierte Spiele, die einen bestimmten Ablauf vorgeben. Auch das "Thinking outside the box" spielt im bewegungsförderlichen Spiel eine bedeutende Rolle: Spielmaterialien oder Gegenstände einmal ganz anders einsetzen und die Kinder anregen, sich zu überlegen, wie und was man damit spielen könnte (Beispiel: Tuch, Ball, ein Stück Schnur, Stein usw.).
Didaktische Überlegungen
Eine kindgerechte Didaktik, die bereits erwähnte Ganzheitlichkeit mitdenkt, sollte insgesamt vier wichtige Pfeiler berücksichtigen, damit bewegungsförderliche Elemente nicht isoliert trainiert werden.
- Emotion – mit allen Sinnen und intrinsisch motiviert
Spielen und Lernen ist dann nachhaltig, wenn es alle Sinne anspricht und zur emotionalen Resonanz führt. Dadurch steigt auch die Motivation für das weitere Lernen. Raum – Räume authentisch gestalten
Für das Spielen und nachhaltige Lernen müssen kindgerechte und anregende Räumen vorhanden sein. Kinder müssen dort einfachen Zugriff auf anregende Spielmaterialien haben, die zum kreativen Tun inspirieren.Bewegung – mit und in Bewegung lernen
Spielen und Lernen bei Kindern von vier bis acht Jahren muss Bewegung und Dynamik ermöglichen. Durch das handelnde Tun und durch das körperliche Erkunden der eigenen Person und der Umwelt wird Lernen verankert.Beziehung – Partizipation und Kooperation
Spielen und Lernen ist am nachhaltigsten, wenn es nicht allein passiert, sondern mit anderen Kindern. Dabei steht nicht nur das gemeinsame Tun, sondern auch das Mitwirken und Entscheiden in einem altersgemässen Rahmen im Zentrum.
Diese sind die didaktischen Merkmale, wie sie auch im so genannten 8-Schritt-Modell der Bildungsdirektion des Kantons Zürich empfohlen werden.
Das 8-Schritt-Modell
Das 8-Schritt-Modell zeigt konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für kompetenzorientiertes Lernen im Zyklus 1 auf.
DownloadBewegungsfördernde Spielmaterialien
Bei der Auswahl von geeigneten Spielmaterialien geht es also nicht nur um die Bewegung und Motorik an sich, sondern auch um die anderen drei didaktischen Elemente der Beziehung, der Emotion und des Raumes.
Die Spielmaterialien sollen
- möglichst flexibel eingesetzt werden können,
- viel Raum für eigene Ideen und Fantasie lassen,
- ein individuelles und gemeinsames Spiel ermöglichen
- und vor allem auch für die Kinder einfach zugänglich sein.
Produktempfehlungen und Anwendungsideen
Aus dem Produktsortiment von ProSpiel empfehlen wir im Folgenden zehn einfache Materialien, die in den Kindergarten-, Schul- und Familienalltag auf jeden Fall mehr Bewegung und Dynamik einbringen werden und für das aktive Spielen und Lernen sowohl drinnen als auch draussen geeignet sind.
Soft-Bausteine
Diese leichte Schaumstoffbausteine verwandeln jeden Spielraum in eine spannende Landschaft. Sie können von Kindern selbst aufgebaut und umgebaut werden.
Anwendungsideen: Kriech- und Kletterlandschaften bauen, Tunnel konstruieren, eigene Rutsch- und Hüpfbahnen bauen, in einem Hindernisparcours einsetzen, Balancierkunststücke darauf üben, auf Holzstäben platziert als fahrbare Unterlagen verwenden etc.
Tau
Dieses sechs Meter lange Tau lässt sich nicht für das klassische Seilziehen einsetzen, sondern bietet eine Reihe von Möglichkeiten, wie Kinder individuell und gemeinsam spielerische Bewegungserfahrungen sammeln können.
Anwendungsideen: Tau auf dem Boden auslegen und darauf balancieren, in einem Hindernisparcours einsetzen, eine "gefährliche" Schlange daraus machen für ein Rollenspiel, die man nicht berühren darf, Tau in verschiedene Formen auf dem Boden auslegen und Hüpfspiele veranstalten, zu zweit auf dem Tau aufeinander zugehen, ohne hinunterzufallen etc.
Diabolo
Das traditionelle Diabolo lässt sich in verschiedenen Spielsituationen einsetzen und fördert die Auge-Hand-Koordination von Kindern.
Anwendungsideen: Diabolo «klassisch» einsetzen als Kunststück für diverse Spielaktivitäten, Diabolo zu zweit hin- und her rollen und darauf achten, dass die Bahn gerade bleibt, Diabolo in Rollenspielen als Schatz oder kostbare Vase einsetzen, die nicht «zerbrechen» darf, Diabolo auf einer wackeligen Unterlage balancieren, als Krone einsetzen etc.
JonglierenFoot-Bag
Die schönen Foot-Bags sind nicht nur bei Kindern ein Hit, sondern werden oft auch noch von Jugendlichen verwendet. Sie eignen sich für die individuelle Übung im Bereich Motorik, bieten aber auch zahlreiche Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Kooperation.
Anwendungsideen: Hin- und Herwerfen der Bälle in verschiedenen Variationen (mit beiden Händen, mit einer Hand, Kicken mit dem Fuss etc.), Zielwerfen auf einen Gegenstand oder eine Zielscheibe auf dem Boden, Balancieren der Bälle auf verschiedenen Körperteilen, «Übergeben» der Bälle mit verschiedenen Körperteilen, ohne sie fallen zu lassen (Hand zu Hand, eingeklemmt zwischen den Knien, eingeklemmt unter dem Kinn), Weitwerfen der Bälle, im Versteckspiel als Schatz verstecken etc.
Rundes Balancierbrett
Das runde Balancierbrett hilft Kindern dabei, ein Gefühl für Balance zu entwickeln, eignet sich aber auch für vielfältige Einsätze in anderen Spielformen.
Anwendungsideen: Balancierbrett in einem Hindernisparcours einsetzen, etwas darauf vorsichtig transportieren, zu zweit verschiedene vorgegebene und eigene Kunststücke auf dem Balancierbrett einstudieren (im Sitzen, im Knien, auf zwei Beinen, auf einem Bein etc.), im Rollenspiel als Tablett einsetzen etc.
Mein KreativStein
Dieses bunte Set aus stapelbaren Bausteinen erweckt in Kindern Fantasie und Kreativität bei gleichzeitiger Bewegung. Die bunten Steine können auf verschiedene Art und Weise in Funktions-, Rollen- und Konstruktionsspielen eingesetzt werden.
Anwendungsideen: Mit Bausteinen Hindernisparcours bauen, eine Zauberlandschaft gestalten, auf der man sich nur auf Bausteinen bewegen darf, Tunnel und Häuser bauen, gemeinsam zuerst einfache und niedrige Parcours bauen, die dann immer höher und schwieriger werden, auf den Bausteinen balancieren, eine Entspannungslandschaft bauen, in Rollenspielen als Requisiten (Kulisse, Böden, Gebäude etc.) einsetzen. nach Anleitung allein und gemeinsam schrittweise komplexere Bewegungslandschaften bauen und diese begehen.
Sure Katchball
Der lustig aussehende Katchball hilft vor allem Kindern, die noch nicht so sicher fangen können, diese Fähigkeiten zu verbessern. Die bunten Schlaufen können leicht gefasst werden und ermöglichen so Erfolgserlebnisse. Der Ball kann natürlich aber auch für viele andere bunte Spiele verwendet werden.
Anwendungsideen: Ball von zwei Kindern zuerst auf enge Distanz hin- und herwerfen lassen, Distanz immer vergrössern, zwei Bälle einsetzen und vier Kinder damit gleichzeitig spielen lassen, Ball in Rollenspielen als «gefährliche Qualle» einsetzen, die man nicht berühren darf, Ball auf Schwungtuch einsetzen und versuchen, ohne sie hinunterfallen zu lassen auf Tuch zu behalten, Ball als Variante in anderen klassischen Ballspielen einsetzen etc.
Kriechtunnel
Dieser drei Meter lange Kriechtunnel macht auch weniger mutigen Kindern Spass. Ein Sichtfenster ermöglicht es, während des Durchkriechens zur Sicherheit einen Blick nach aussen zu machen.
Anwendungsideen: Den Kriechtunnel als «Posten» einsetzen, im Staffellauf einsetzen, etwas nach dem Kriechtunnel platzieren und im Parcours durch den Tunnel zurücktransportieren, Kriechtunnel als Verbindung zwischen zwei Spielhäusern oder -landschaften verwenden, Kriechtunnel verwenden im Spiel "Der Boden ist Lava", Kriechtunnel als geheimen Besprechungsort für Tandems einsetzen, als Rückzugsort zum Ausruhen etc.
Neopren Bowling Set
Kegeln und Bowling gehören zu den klassischen Kinderspielen, sind aber nach wie vor beliebt für den Einsatz sowohl drinnen als auch draussen. Abseits des klassischen Bowlingspiels mit den sechs Kegeln in Kleingruppen kann das Spiel auch noch anders eingesetzt werden. Grobmotorische Kompetenzen sowie die Fähigkeit des Dosierens beim Rollen der Kugel werden dabei geschult.
Anwendungsideen: Bowlingspiel auf klassische Art in der Kleingruppe in der Pause oder an Spieltagen spielen, Kegeln in verschiedenen Variationen aufstellen, Kegeln für einen Hindernislauf/Slalom verwenden, Kegeln im Ballspiel (z.B. Kegelvölk) einsetzen, Kegeln als Requisiten in Rollenspielen verwenden (als Flaschen, Pokale, Fackeln etc.), Bowling bergauf versuchen, blind bowlen etc.
Reifen
Die bunten Reifen werden als Spielmaterialien häufig unterschätzt, weil ihnen nach wie vor der langweilige Begriff Gymnastik anhaftet. Dabei kann man damit eine Reihe von interessanten Spielen machen.
Anwendungsideen: Reifen in einem Parcours verwenden, als Inseln einsetzen (im Spiel «Der Boden ist Lava»), Reifen um verschiedene Körperteile rotieren lassen, Reifen auf dem Boden drehen und sobald wie möglich hineinspringen ohne das Drehen zu unterbrechen, Reifen als Requisiten einsetzen (Zauberringe, die über andere gestülpt werden können), Reifen als Zaumzeug benutzen, in das ein Kind als Pferd gespannt wird etc.
Quellen
- Lieger, C.; Geiger, N. & Bühlmann, N. (2020): Das 8-Schritt-Modell. Kompetenzorientiertes Lernen im Zyklus 1. Bildungsdirektion/Volksschulamt Kanton Zürich.
- Lieger, C. & Weidinger, W. (Hrsg.) (2021): Spielen Plus. Ein Handbuch für Kindergarten, Schule und Betreuung. Bern: hep.
- Stamm, M. (2016): Ein neues Phänomen: Spielunfähige Kinder. Online: margritstamm.ch
- Zimmer (2014): Handbuch Bewegungserziehung. Freiburg i. B.: Herder.